Darlehensverträge, auch nach längerer Zeit widerrufbar?
Diese Frage beschäftigt die Gerichte seit längerer Zeit. Die Meinungen der einzelnen Gerichte waren bisher sehr unterschiedlich. Einige Gerichte wie z.B. AG/LG und OLG-Stuttgart, OLG-Hamm, OLG Düsseldorf, OLG-Zweibrücken etc. waren von Anfang an der Meinung, dass auch bereits abgewickelte Darlehensverträge mit unzureichender oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung jederzeit widerrufbar seien. Dies gilt auch für solche Verträge deren Erledigung/Ablöse/Umschuldung bereits mehrere Jahre zurück liegt.
Die Banken hatten in solchen Fällen gern das Argument der „Verwirkung“ bzw. des „Rechtsmissbrauchs“ nach Treu und Glauben angeführt.
„Rechtsmissbrauch wird als zweckwidrige Inanspruchnahme einer Rechtsposition definiert und begrenzt die Möglichkeit, ein bestehendes Recht auszuüben. Dies bedeutet, dass die Inanspruchnahme eines formal gegebenen Rechtsanspruchs durch den Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt ist. Auch wer über ein formal einklagbares Recht verfügt, darf dieses nicht missbräuchlich ausüben. Versucht er es dennoch, kann der Benachteiligte dagegen wegen unzulässiger Rechtsausübung vorgehen“. (Quelle Wikipedia)
Leider sind sehr viele Gerichte diesem Argument der Banken gefolgt.
Dem hat der, für Bankenrecht zuständige elfte Senat des BGH, mit seinen Urteilen vom 12.Juli 2016 (XI ZR 564/15 und XI ZR 501/15), nun eine klare Absage erteilt.
BGH-Urteil: XI ZR 501/15
Die Vorinstanz, das OLG Hamburg hatte in seiner Urteilsbegründung (Urteil vom 16. Oktober 2015, Az. 13 U 45/15) bereits folgendes ausgeführt:
„Es fehle das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment, weil der Darlehensgeber durch eine unzureichende Belehrung das Fortbestehen des Widerrufsrechts selbst verursacht habe und deshalb grundsätzlich nicht auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts vertrauen könne.“
An dieser Argumentation nahm der BGH gem. Presseerklärung Nr. 118/16 vom 12.Juli 2016 keinen Anstoß. Im Weiteren teilte der BGH jedoch nicht die Meinung des OLG Hamburg, dass der Kläger sein Widerrufsrecht „rechtsmissbräuchlich“ ausgeübt hatte um sich von einer unvorteilhaften lösen zu wollen.
Hier stellte der BGH eindeutig fest, dass die einer Widerrufsausübung zu Grunde liegende Motivation unbeachtlich ist. Dabei bezog sich der elfte Senat auf vorherige, bereits rechtskräftige Entscheidungen u.a. anderer Senate. Im Einzelnen: BGH, Urteil vom 16. März 2016 – Az. VIII ZR 146/15; BGH, Urteil vom 23.06.2009 – Az. XI ZR 156/08; BGH, Urteil vom 10.03.2009 – Az. XI ZR 33/08
Presseerklärung zum Urteil: XI ZR 501/15
BGH-Urteil: IX ZR 564/15
In diesem Urteil bestätigte der elfte Senat ebenfalls, dass weder „Verwirkung“ noch „Rechtsmissbräuchlichkeit“ vorlagen und der Widerruf eines Darlehensvertrages, dessen Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprach, jederzeit möglich ist.
Welche Bedeutung haben diese Urteile?
In zukünftigen, ähnlichen Verfahren können die Banken zwar behaupten, dass es in dem Urteil IX ZR 501/15 um eine Entscheidung bezüglich eines „Haustürwiderrufrechts“ gehandelt habe und es in anders/ähnlich gelagerten Fälle, wie z.B. Widerruf eines Darlehensvertrages mit RSV, einer Einzelfallprüfung bedürfe. Grundsätzlich aber ist zukünftig davon auszugehen, dass die Mehrheit der Gerichte sich dem BGH-Richterspruch anschließen wird.
Allerdings sind die Gerichte, insbesondere die einzelnen Richter nicht an die BGH-Rechtsprechung gebunden. Die jeweilige Entscheidung eines/einer Richters/Richterin unabhängig.
Fazit zu diesen BGH-Urteilen
Die oben beschriebenen und weitere, jüngere Entscheidungen des BGH stellen zumindest eine erhebliche Stärkung der Verbraucherrechte dar und erhöhen die Chancen der Darlehensnehmer, einen möglichen Rechtsstreit beim Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen, für sich zu entscheiden.
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